IAA 2011 – die Nachlese.

Auch wenn sie von vielen Kollegen wegen der weiten Wege nicht gemocht wird, so ist die IAA für uns doch etwas Besonderes. Ein Katalysator – natürlich im beschleunigenden, nicht im abgasreinigenden Sinne. In den Frankfurter Messehallen ist die asphaltfrage vor vier Jahren von der Idee in die Realität übergegangen.


Und auch in diesem Jahr gilt unser damals formulierter Leitspruch: Neue Technologien hinterfragen, Potenziale aufzeigen, Spaß- mit Sparfaktor vergleichen, Cleveres von Sinnlosem unterscheiden und sich manchmal einfach dem Reiz hingeben…

Nachdem wir voreilig schon unsere Meinung zum Masereep/Jeeperati kundgetan haben gibt es nun, nachdem die Messe mit einer Rekordbesucherzahl gestern ihre Hallen geschlossen hat, die detailierte Nachlese:

Halle 2 / Festhalle, Forum: bei Mercedes geht es bergauf, nicht nur mit der Rolltreppe unter das Festhallendach, sondern überhaupt. Moderne Downsizing-Turbos, Doppelkupplungsgetriebe, iPad-like-Navi, offenporiges Holz und Leder am Armaturenbrett – die neue B-Klasse ist einfach ein Traum. Hier denkt niemand mehr an ein Rentermobil. Schon gar nicht beim Anblick der neuen A-Klasse. Klar, offiziell wird sie noch als Konzept bezeichnet, aber eins ist klar: die Stuttgarter schärfen richtig nach. Das unterstreicht auch der rote Anti-Kretschmann, der in vollem Karbonfaser- und Spoilerornat die Münder offen stehen ließ. Bei Smart gab es außer ein paar Fahrrädern, einem Discokugelsmart (den es übrigens als 1:1-Kopie auch als iQ bei Toyota zu sehen gab) und einem rosafarbenen Smart nichts Neues.

Halle 3: streng den Zahlen folgend müsste nun die VW-Konzernhalle an der Reihe sein. Wir bitten aber um Nachsicht, denn sie werden am Ende verstehen, warum die Zeit für Halle 3 noch nicht gekommen ist.

Halle 3.1: ein bisschen Mitleid hat man mit all den x.1-Hallen ja schon. Man fällt nicht aus Zufall herein, sondern muss erst minutenlang Rolltreppen fahren, bis man dort ist. Aber so wirklich scheinen die dort ausstellenden Hersteller das Dilemma auch nicht ändern zu wollen. Kaum Beleuchtung – außer bei Kia, kaum interessante Modelle – außer bei Kia, kurz: wenig Sehenswertes. Mazda verpackt seine interessanten Technik-Ansätze (Benziner und Diesel mit 14:1er Verdichtung!) in unansehnliche Karosserien, Renault schminkt den Twingo ein wenig, versteckt aber den Clio und lässt den Esprit der alten Tage vermissen, Suzuki bleibt ebenfalls blass und Nissan gleich ganz daheim. Schade. Bleibt Kia: neuer Rio, neuer Picanto und ein rassiger GT. Da bleiben wir dran!

Halle 4: „Halle für Elektromobilität“. Oder auch „Halle der Irrungen und Wirrungen“. Mia zum Beispiel. Für 19.500€ wird das Elektroauto beworben. Eine Sensation? Wohl kaum, denn nicht nur fällt die Tür beim Öffnen fast vom Fahrzeug ab, auch im Innenraum glänzt die Verarbeitungsqualität weitestgehend durch Abwesenheit. Da dass Ganze auch noch 110km/h Spitzengeschwindigkeit ermöglichen soll, reichen wir demnächst Beschwerde bei der EU ein. So etwas gehört nicht gefördert, sondern verboten. Oder zumindest mit Warnhinweisen analog zu den auf den Zigarettenschachteln versehen.

Halle 5: hat man den Hamann- und Mansory-Wahnsinn halbwegs unbeschadet überstanden, so kann das Auge am barocken Anblick des Brabus G verweilen. Tiefstes schwarz, größter Hubraum, heftigster Preis. Krise? Welche Krise? Der Russe kennt so etwas nicht. Jaguar und Land Rover hingegen schon eher. Geht es bei den Geländemobilen der Engländer derzeit immerhin gut voran – und mit dem Evoque hat man mit Abstand das heißeste Eisen im Mini-SUV-Feuer – tritt Jaguar auf der Stelle. Die Verkäufe stimmen nicht, es gibt politische Streitereien zwischen dem Management aus dem Königreich und der deutschen Depandance  und nun hat Carl-Peter Forster auch noch sein Amt aus persönlichen Gründen niedergelegt. Dabei spricht das Modellprogramm eine ganz andere Sprache. 1. Der XJ ist die coolste Art eine Oberklasselimousine zu fahren, der Fünfliter-V8 ein Gedicht und das B&W-Soundsystem auf Augenhöhe mit B&O und Burmester. 2. Der XF ist nicht nur jüngst modellgepflegt worden, er wird im Gegensatz zur deutschen Konkurrenz beinahe verschenkt. Leasingraten ab 299€ im Monat. Und mit 275PS auf dem Biturbo-Diesel ist man nicht nur sparsam, sondern auch reichlich sportlich unterwegs. Aber alle guten Dinge sind drei: der C-X16. Das Highlight dieser IAA. Keine Studie war schöner, keine spannender, keine durchdachter. Heckantrieb, V6-Kompressor, Boost-Hybrid, Achtgangautomat, E-Type-Heckklappe – so bauen, sofort. Dann klappt es auch mit den Verkäufen.

Halle 6: haben wir bereits beschrieben. Maserati klammern wir deshalb aus. Einmal schimpfen muss reichen. Jeep macht seine Hausaufgaben, der Grand Cherokee ist ein schickes Ding geworden. Wird sich besser gegen X5 und ML behaupten als der Vorgänger. Fiat bringt den Panda neu. Cooler, aber genauso praktisch wie der Alte. Nur Preise gibt es keine. Hat man solche Angst vor dem Up! ? Bei Alfa ließ man den 4C die Gunst des Publikums testen, im Hintergrund standen sich MiTo und Giulietta etwas die Räder platt. So richtig neu war nix. Dafür aber bei Lancia. Was hat die Presse gelacht über das badge-engineerig des findigen Italieners im Cashmere-Pullover, doch das Ergebnis erstaunt: der Thema ist ein stylisches Teil geworden. Viel Chrom, viel Opulenz und innen viel Leder. Klar, wir sitzen hier nicht in einem Audi, aber immerhin. Ein großer V6-Diesel, viel Ausstattung und alles zum Komplettpreis von 50k€ – das kann funktionieren. Auf jeden Fall besser als irgendeine grazile Designspielerei, deren Thesis kaum einer so wirklich versteht. Ganz hinten in der Sechs dann noch Hyundai. Die Koreaner geben Gas. Mit dem i40 wird der Passat ins Visier genommen, das Ziel dann aber doch noch ein gutes Stück verfehlt. Witzig ist der Veloster, ein dreitüriges Coupé. Links eine große, rechts zwei normale, dazu ein schlank abfallendes Dach. So könnte ein neues Volkscoupé aussehen. Bis man den Preis erblickt: 24.000€ Einstiegspreis. Respekt, dafür gab es vor ein paar Jahren einen Golf V GTI.

Halle 8: hier waren es wieder die Opelaner, die das Publikum angelockt haben. Mit Astra GTC, Zafira Tourer und Ampera gab es jede Menge zu sehen. Doch ein wenig wundert man sich bei Opel doch immer: Modelle toll, Preise toll, Farben toll und trotzdem klappt es mit dem Verkauf nicht richtig. Warum? Wahrscheinlich liegt es daran, dass die wenigsten ihr Auto noch bar bezahlen. Der Listenpreis gerät durch geschickte Leasing- und Finanzierungsmodelle in Vergessenheit und so bemerkt niemand, dass ein Astra GTC exakt 5000€ günstiger in der Preisliste steht, als ein Hyundai Veloster. Fragen? Ansonsten gab es außer dem DS5 von Citroen nicht viel zu sehen. Der Diesel-Hybrid der Franzosen hat Stil und Finesse und eine interessante Antriebsidee. Sein Preis wird ihm allerdings das Genick brechen.

Halle 9: die Allerweltshalle. Ford stimmt sich auf darauf ein in Zukunft überall in der Welt ein und dasselbe Auto zu verkaufen. Das gefällt uns nicht wirklich, ist aber nicht zu ändern. Honda präsentiert einen neuen Civic, der ebenfalls kein Fortschritt zum Alten ist und Chevrolet lanciert den Weltretter Volt direkt neben dem archaischen Camaro. Was auffielt in Halle 9? Der Volvo concept you. Ein von Kunden beeinflusster Oberklasse-Volvo, den wir exakt so fahren würden. Stämmige P544-Front, mächtige Schulter und ein eleganter Fließheck-Abschluss. Optische Nähe zum A7? Ja, aber was ist daran schlecht?

Halle 11: BMW, oh BMW. Was ist bloß los. Die Autos verkaufen sich blendend, obwohl sie teuer und nicht wirklich hübsch anzuschauen sind. Der neue 6er, vor allem aber der neue 1er sind Beweis dafür. Die Münchner können nicht verheimlichen, wie schwer es für einen Einzelkämpfer am Automarkt ist. Da helfen auch i3 und i8 nicht. Vielleicht liegen wir mit unserer Einschätzung aber auch völlig falsch und das Elektroauto zündet derart, das BMW allen anderen Meilen voraus ist. Das aber können wir uns bei bestem Willen nicht vorstellen. Und das stimmt uns traurig. Ein wenig tröstet da der unschuldig weiß lackierte 1M mit seinen feisten Backen: der letzte echte BMW.

Zu guter Letzt nun Halle 3: Warum erst jetzt? Weil es unfair für den Rest gewesen wäre sie zu Anfang zu nennen. Fängt man Halle 3 am rechten Ende bei VW an und schlendert dann langsam durch die Markenvielfalt, bis man am Ende bei Lamborghini angelangt ist, so hat man alles gesehen, was das automobile Herz wünscht. Praktisches, günstiges, sparsames, witziges, musikalisches, offenes, luxuriöses, sportliches, schönes und das Beste daran: all diese Attribute gibt es in verschiedenen Preisklassen. Vom Up! zum Mulsanne, vom Mission L zum Panamera turbo S. Volkswagen holt den Rest der Welt eiskalt auf den Boden der Tatsachen: „Karriere ist kein Plattenbau, an der Spitze ist nur Platz für Einen.“ Wir ziehen unseren Hut und warten auf den nächsten Streich von Piëch und Winterkorn.

Die komplette Bildergalerie von Andy Wiezorek, der sich wie immer aufopfernd zwischen die restliche Fotomeute gepresst hat um für uns die besten Fotos zu machen finden sie HIER.

Bilder: aw
Text: fm

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