Eisenfaust – Porsche 991 GT3
Wir machen es kurz: kein Schaltgetriebe! Dafür Hinterachslenkung und 9000 Umdrehungen. Nicht aus irgendeinem Elektromotor, sondern aus 3.8 im Heck boxenden Litern.
Alle die schon einmal in einem 991 Carrera S saßen wissen, wie nah der 911 an der Perfektion kratzt. Verständlich irgendwo, schließlich sitzen seit einem halben Jahrhundert die besten Ingenieure daran den Elfer immer schneller zu machen. Und doch bleibt er seinem Konzept immer treu. Der Motor muss einfach hinten sein, auch wenn die Fahrdynamik-Päpste anderes predigen und der kleine Cayman dem großen Bruder gefährlich nahe kommt.
Mit der Eisenfaust ist die Rangordnung nun wieder hergestellt. Ohne jeden Zweifel. Anders kann man den neuen GT3 nicht bezeichnen. Heckantrieb wie eh und je, böse feststehende Spoiler, mächtige Zentralverschlussräder und einen Motor, wie ihn die Welt fast schon nicht mehr zu bekommen glaubte. Einen ehrlichen Sauger. Kein Downsizing-Opfer, keinen aufgeblasenen Zwerg, sondern die volle Pracht des scharfen Verbrennungsmotors.
Zwar nicht mehr auf Basis des feinen Mezger-Triebwerks, welches im RS 4.0 noch einmal würdig Abschied feiern durfte, sondern auf Basis des neuen DFI-Motors. Doch jede Panik ist unbegründet, denn auch der neue GT3 darf auf einen echten Motorsport-Motor zurückgreifen. Es schien keinen aus Wolfsburg verordneten Sparzwang bei der Entwicklung gegeben zu haben und so ist bis auf das Kurbelgehäuse kaum ein Teil mit dem Carrera-Motor identisch. Angefangen von der Kurbelwelle, über die Titanpleuel, den Schmiedekolben bis hin zum komplett neukonstruierten Zylinderkopf. Die Ventile werden im Hinblick auf maximale Drehzahlfestigkeit auch nicht mehr über schaltbare Tassenstößel, sondern mit Schlepphebeln betätigt.
Das verringert nicht nur die bewegten Massen, sondern ermöglicht durch das Hebelverhältnis auch schärfere Ventilerhebungskurven des Nockenprofils. Doch es geht nicht nur um maximale Leistung, auch die Fahrbarkeit des Motors, Emissionen und Verbrauch spielen eine Rolle. So bleiben die Nockenwellen weiterhin verstellbar durch VarioCam, die Ölpumpen der Trockensumpfschmierung arbeiten bedarfsgerecht und die Kraftstoffeinspritzung erfolgt nun erstmals im GT3 direkt. Dank Mehrlochinjektoren und 200bar Systemdruck nicht nur effizient, sondern auch leistungssteigernd.
475PS bei 8.250 Umdrehungen sind Lohn der Mühe. Die 440Nm sind angesichts des Hubraums von 3.8 Litern und der hohen Spitzenleistung ebenfalls beachtlich. Doch schnelle Rundenzeiten kommen nicht allein vom Motor und in Zeiten, in denen die Konkurrenz beinahe voll-digital über die Rennstrecken drischt, muss sich ein hemdsärmliger Bolide wie der GT3 so seine Gedanken machen. Als erstes flog deshalb die Handschaltung aus dem Auto. Die Puristen werden weinen, wir haben ebenfalls mehrfach geschluckt, als wir die Ankündigung gelesen haben, doch wir sind einfach zu langsam. Auskuppeln, Gang rausnehmen, Gasse wechseln, Einkupplen, Gas anlegen – dazu braucht der Mensch einfach zu lange.
Das PDK wurde hierzu radikal umprogrammiert. Nun sind „Blitzschaltungen“ möglich, bei denen der Motor einen Momentenüberhöhung vornimmt und hochdynamisch die Motordrehzahl anpasst. Was auf dem Papier trocken klingt wird uns draußen auf dem Track sicher die Sinne rauben und auch an die „Paddle-Neutral“-Funktion werden wir uns gewöhnen müssen. Erstmals kann man beim Zug beider Wippen gleichzeitig „manuell“ auskuppeln. Wo immer man sich beim PDK gewünscht hat manuell eingreifen zu können, beim GT3 geht es nun – sei es beim Ampelstart, in der Kurve um den Rädern etwas mehr Seitenführung durch den abgekoppelten Antrieb zu gönnen.
Doch das PDK, dessen Schaltschema im Übrigen motorsport-like umgedreht wurde (ziehen = hochschalten, drücken = runterschalten), ist nicht der einzige Punkt, an dem die Entwickler des neuen GT3 tief in die elektromechanische Trickkiste gegriffen haben. Der zweite Streich ist die aktive Hinterachslenkung. An Stelle von herkömmliche herkömmlicher Spurstreben kommen Aktuatoren zum Einsatz, die bis zu 1.5 Grad „Lenkeinschlag“ einstellen können. Unter 50km/h in entgegengesetzter Richtung zu den Vorderrädern, über 80km/h parallel zum Lenkeinschlag an der Vorderachse. Das führt im niedrigen Tempobereicht zu einer virtuellen Radstandsverkürzung und somit zu höherer Agilität und dynamischem Einlenkverhalten, bei höherem Tempo zu einer virtuellen Verlängerung, die der Fahrstabilität und Spurtreue zu Gute kommt.
Dafür sorgt auch die breitere Hinterachsspur des GT3, denn die Karosserie des neuen Sport-911 basiert auf den Allrad-Modellen mit ausgestellten hinteren Kotflügeln. Unter der Karosserie arbeitet ein Vollalu-Fahrwerk, denn beim 991 GT3 bestehen nicht nur Querlenker, Hifsrahmen und Radträger aus Leichtmetall, auch die Rohre der Dämpferbeine sind erstmals in der Leichtbau-Variante ausgeführt. Dennoch verfügen sie über das adaaptive Dämpfungssystem PASM. Auch das Torque Vectoring Plus-System, bestehend aus Sperrdifferenzial und adaptiv geregelter Momentenverteilung an der Hinterachse ist serienmäßig mit an Bord. Dabei sollte für Traktion immer gesorgt sein, denn auch die Räder wuchsen in ihrer Dimension: 20 Zoll dürfen es nun ab Werk sein, natürlich mit Zentralverschluss und Dunlop-Semislicks ab Werk.
Aber genug der trockenen Theorie. Von außen gibt sich der GT3 sofort zu erkennen. Heftige Lufteinlässe in der Front, Entlüftung durch den Hemdkragen an der Motorhaube, aerodynamisch unabdingbare Spoilerlippe – schon vorne alles pure Effizienz. Hinten dann die obligatorische feststehende Theke. Der GT3 darf das nicht nur haben, er muss das haben! Und dann das große Doppelrohr in der Mitte. Es wird ein großartiges Lied spielen wenn es in unter 7:30min durch die Grüne Hölle schneidet. Vor nicht einmal zehn Jahren hat der Carrera GT dafür 7:32min gebraucht. Effizienz ist eben alles. Und die richtige Eisenfaust im Heck…
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