Knopfsache – der Alfa Romeo MiTo QV

Man sagt, dass man erst ein echter Automobilenthusiast ist, wenn man einmal einen Alfa Romeo besessen hat. Erst danach kann man ein Auto von einem Mixer oder einem Geschirrspüler unterscheiden. Ein Alfa funktioniert nicht einfach, vielmehr ist er ein tragischer Held, dem man nicht böse sein kann, wenn er morgens bei sechs Grad minus auf dem Weg zur Arbeit in seinen eigenen Rauch gehüllt liegen bleibt. Obwohl man ihn erst vergangene Woche aus dem Service geholt hat. Ein Alfa ist vielleicht auch ein bisschen wie Kokain, der großen Euphorie und der starken Leistungsfähigkeit folgt unweigerlich eine bedrückende Leere.

Von diesem Mythos zehrt die Marke bis heute, doch ein von den Edelschwestern Ferrari und Maserati geliehener Blickfang wieder der 8C reicht alleine nicht aus um die Strahlkraft in die Zukunft zu transportieren. Denn der Rest der Modellpalette sorgt eher für ein Stimmungstief: zu alt, zu uninspiriert und zu unsportlich.

Da kommt der MiTo gerade recht. Schön, schick und schnell sei er, jubiliert die Presseabteilung und spricht von einem typischen Alfa Romeo. Dass er dabei dank seiner Größe auch noch schonend mit innerstädtischem Parkraum und anderen Ressourcen umgeht, kommt dem Zeitgeist zudem sehr gelegen. Und damit man, jetzt wo sogar Audi mit dem A1 um solvente Käufer buhlt, dem Mini Cooper S endlich Paroli bieten kann, schickt Alfa jetzt sein vierblättriges Kleeblatt ins Rennen.


Selbstverständlich könnten wir an dieser Stelle wieder über die historischen Meriten des quadrifoglio verde referieren, doch angesichts des mechatronisches Feuerwerks, das der MiTo QV abbrennt, sollten die Geschichtsbücher für heute im Schrank bleiben. MultiAir lautet das Stichwort, denn obwohl der 1400er turbo benzina in seinem Rumpf noch sehr den Brüdern ähnelt, gibt es im Kopf eine echte Revolution zu entdecken. Die vollvariable, zylinderselektive und elektrohydraulische Ventilsteuerung hat bereits nicht nur unzählige Preise gewonnen, sondern steht auch in unserer Gunst sehr weit oben. Im QV sorgt sie für 170PS bei 250Nm und einem Normverbrauch von glatten 6 Litern auf 100 Kilometer.


Im Gegensatz zu den meist mechanischen Nockenwellenverstellungen der Konkurrenz bietet das MultiAir-System nicht nur eine genauere Kontrolle, sondern auch deutlich flexiblere Einsatzmöglichkeiten. Statt meist nur zwei schaltbaren Ventilerhebungskurven bietet die italienische Lösung beliebig viele, von denen fünf standardisiert sind und auf frühes Drehmoment im Drehzahlkeller, viel Spitzenleistung nahe des Begrenzers und einen dennoch möglichst geringen Schadstoffausstoß ausgelegt sind.

In der Praxis fahren die Dinge jedoch meist völlig anders, als man es sich auf dem Papier vorgestellt hat und so überraschte und auch der graue Alfa. Bei Tempo 30 ließ er sich ohne Klage im Fünften durch die Stadt bugsieren und selbst ein beschleunigen war bei Drehzahlen um 1000 Touren noch möglich. Da der QV bei dieser Art der Behandlung mit einem reichlich hohlen und tieffrequenten Ansauggeräusch aus dem Motorraum röchelte kann man sich beinahe bildlich vorstellen wie das System die Ventile auf Durchzug gestellt hat um eine vernünftige Füllung bei diesen Drehzahlen zu gewährleisten.


Doch auch am anderen Ende der Skala macht der starke MiTo mit dem Hightech-Zylinderkopf Freude. Willig dreht er aus und verfällt oberhalb von 5000 Umdrehungen in einen herrlich frivolen Ton, der uns beinahe an den Sound der alten Alfa-Boxer erinnert. Selbst in der Drehzahlmitte gibt es spannendes, denn im Gegensatz zur Konkurrenz darf man beim QV den Einsatz des Turboladers noch richtig miterleben. Wenn er bei gut 2500 Umdrehungen richtig zum Leben erwacht reißt es den grauen Alfa mit einer Vehemenz vorwärts, die weder die elektronische Differentialsperre Q2, noch die 215/40er Pirellis vernünftig übertragen können. Selbst die Gasannahme passt, denn der MiTo reagiert spontan auf jede noch so kleine Bewegung des Pedals – wenn die DNA-Taste im Dynamic-Modus steht wohlgemerkt.


Tut sie dies nicht, verfällt der MiTo QV in einen Zustand uninteressierter Gefühllosigkeit. Die Gaspedalkennlinie hat es dabei am schlimmsten getroffen. Sprüht der Alfa im Dynamic-Modus noch wie oben beschrieben vor Lebensfreude, so zieht ihm schon die Einstellung Normal jeden Zahn. Stellt man den QV nach einer scharf gefahrenen Dynamic-Runde ab und startet kurz darauf im automatisch angewählten N-Modus sorgt man sich in der Tat ernsthaft um einen Defekt, so drastisch ist der Unterschied. Unter halbem Pedalweg geschieht gefühlt nichts mehr, die Spontanität ist völlig verschwunden, man könnte meinen in einem Dacia Logan gelandet zu sein.

Ähnlich wie die Gasannahme hat es auch das neue adaptive Fahrwerk des QV erwischt und falls Sie jetzt denken, dass wir bei der Präsentation nicht richtig zugehört haben und  stattdessen mit der netten Barista geflirtet haben, liegen sie falsch. Mit adaptiv meinen wir nicht das DNA-System, sondern das optionale Dynamic Suspension-Fahrwerk. In jedem Dämpfer befinden sich justierbare Ventile, die ihren Querschnitt verändern können und so Einfluss auf Dämpferhärte und –geschwindigkeit nehmen. Geregelt wird das Ganze über Sensoren, die jede Karosseriebewegung erfassen und nach einem Abgleich mit dem Kennfeld ihre Entscheidungen treffen.


Diese hängen leider wie schon die des Motors sehr stark von der durch den Fahrer getroffenen Vorauswahl am DNA-Schalter ab. In der nach jedem Motorstart aktiven Normalstellung funktioniert das Fahrwerk ungewöhnlich indifferent. Auf den ersten Metern gibt es sich noch überraschend komfortabel für einen kleinen Stadtsportler der auf 18-Zoll-Rädern abrollt, verfällt dann aber, sobald die Straße etwas schlechter wird, in ein unangenehmes Nachtreten: der MiTo rollt durch das Schlagloch, die Federung gibt die Schwingung sanft an den Aufbau weiter und die „normale“ Dämpfung geht komfortabel ihrer Arbeit nach. Für die Insassen ist bis hier alles in bester Ordnung. Nun aber registrieren die Sensoren, dass die Schwingungsamplitude vielleicht doch etwas groß ist und regeln die Dämpfung nach. Im Ergebnis hoppelt der MiTo plötzlich hart weiter, obwohl die Unebenheit schon lange vorbei ist. Selbst vor der Lenkung macht die DNA nicht halt. Im Dynamic-Modus hat sie zwar eine ordentliche Zielgenauigkeit, doch das synthetische Lenkgefühl wird man in keinem der Modi los.


Dabei macht der MiTo QV in der richtigen Schalterstellung wirklich Spaß. Er ist schnell, hat in jeder Lebenslage ausreichend Kraft, er lässt sich treffsicher und agil um die Ecken werfen und bleibt dabei fast gänzlich frei von Gemeinheiten. Dazu kommt dann das herrlich riechende Leder, der feine Klang aus dem BOSE-Soundsystem und der erfreute Blick auf den Trip-Computer, wenn die letzte Ausfahrt nur 7.8 Liter Super in die Brennräume befördert hat.

Wäre da nur nicht dieser sich ewig auf Normal stellende DNA-Schalter. Aber da sind wir wieder am Anfang. Irgendworan hat man in einem echten Alfa Romeo immer zu leiden.

Technische Daten:

Modell: Alfa Romeo MiTo QV
Motor: Vierzylinder-Reihenmotor, 1368 cm³
Leistung: 170 PS
Drehmoment: 250 Newtonmeter
Antrieb: Vorderrad, Sechsgang manuell
Gewicht: 1220 kg
Verbrauch: 7.8 L/100 Km
0-100 km/h: 7.5 sec.
Vmax: 219 km/h
Preis: ab 20.950 Euro

Text: Fabian Mechtel
Bilder: Andy Wiezorek

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