Und die Nachbarin? – Mitsubishi Lancer Evolution X

196km Restreichweite? Und während Du noch vor Dich hingrummelst, dass der Schwabe wieder gespart und die Kiste nicht vollgetankt hat, bemerkst Du zwischen all den Grafiken, Balken und anderen bunt blinkenden Bordcomputer-Parametern, dass der Tank randvoll ist.

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Sauber! Das besser nicht die schöne Nachbarin wissen lassen, der Du letztens die schweren Alnatura-Einkäufe in die Wohnung getragen hast. Wobei – besser sie sieht den Lancer Evolution X überhaupt nicht: Wie soll man den nicht gerade diskreten Flügel erklären, die fetten Brembos hinter den geschmiedeten BBS und den feinmaschigen Ladeluftkühler hinter dem nur dürftig vergitterten Stoßstangen-Maul? Die Be- und Entlüftungslöcher in der Haube helfen ebenso wenig weiter, wie die Ohrensessel im Innenraum.

Mitsubishi Lancer Evolution X MR - asphaltfrage.de - Testbericht - Fahrbericht - Wallpaper 2Nach der ersten Ausfahrt bist Du Dir dann aber nicht mal mehr sicher, ob Du den Evo nicht nur der Nachbarin nicht zeigen sollst, sondern warum man so etwas überhaupt fahren muss? Denn im Innenraum ist wenig vom Kriegspfad zu sehen, auf dem das Äußere unterwegs zu sein scheint. Stattdessen gibt es Ledersitze mit Heizung, ein Touchscreen-Infotainment nebst fettem Subwoofer, Keyless-Go und andere Helferlein, die man nur bedingt mit maximaler Attacke in Verbindung setzt.

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Mitsubishi Lancer Evolution X MR - asphaltfrage.de - Testbericht - Fahrbericht - Wallpaper 4Und um die soll es schließlich gehen: die Freude am Fahren, den puren Wahnsinn. Den Geist staubiger Schotterpisten spüren, akrobatisch über Schnee und Eis tanzen und auf dem Asphalt alle anderen hinter sich lassen. Solange man sich in den Super-Sport Modus geklickt hat ist die Welt dann auch in Ordnung. Der Zweiliter-MIVEC-Turbo schnaubt und prustet, das Doppelkupplungsgetriebe lässt die Drehzahl nie unter 5000 Umdrehungen fallen und der aktive Allradantrieb filetiert das Drehmoment in höchster Präzision. Dem Chassis ist dabei ziemlich egal ob es geradeaus oder um die Kurve geht, denn wenn die extra für den Evo angemischten Dunlop-Sportreifen erst einmal auf Temperatur sind und die ausgefeilte Kinematik der Alu-Lenker die Topographie der Straße ohne Unschärfe an die Bilstein/Eibach-Fahrwerkkombi weiterreicht, kannst Du das Gas einfach stehenlassen.

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Mitsubishi Lancer Evolution X MR - asphaltfrage.de - Testbericht - Fahrbericht - Wallpaper 6Der weiße Mitsubishi lenkt messerscharf ein, bleibt dabei total neutral, beißt sich an der gewählten Linie fest und feuert dank torque-vectoring mit einer Prise Übersteuern aus der Ecke. Dabei ist der Kurveneingangsspeed quasi egal. Der Evo macht es einfach. Es ist ein Fest. Ein berauschendes. Denn nachdem Du über eine Stunde vom Taunus aus über die kleinstmöglichen Landsträßchen im absoluten knocking-on-heavens-door-Modus auf der Rasierklinge zwischen effizientem Abzug und totalem Abflug balanciert bist, reißt Dich die wild piepsende Tankanzeige in die Realität zurück.

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Mitsubishi Lancer Evolution X MR - asphaltfrage.de - Testbericht - Fahrbericht - Wallpaper 8Tank leer. Nach 196 Kilometern. Schnelle Kilometer zwar, aber dennoch: 25 Liter Super Plus sind in der heutigen Zeit eine heftige Ansage. Vor allem wenn es kaum sparsamer geht, denn selbst bei absolut defensiver Fahrweise schafft man im Evo keine einstelligen Verbrauchswerte. Schon die zwölf vor dem Komma ist ein harter Gegner. Wie auch das Fahrwerk. Haben Deine Synapsen die Tortur im Wahnsinns-Modus  noch erfolgreich ausgeblendet um der Konzentration Raum für Brems- und Einlenkpunkte zu lassen, haut es Dir im Stadtverkehr zum Feierabend dann jeden Kanaldeckel derart ins Kreuz, dass Du am Abend beinahe ins Kissen weinst. Das im Bummelmodus unmotiviert schaltende TC-SST-Getriebe schafft da keine Abhilfe.

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Und so steigst Du am Ende des Tages erschöpft aus dem Lancer aus. Aber nicht unbedingt glücklich. Denn er ist ein Auto zum Feuern, nicht zum Fahren. Und wie oft feuert man? 1% der Zeit, vielleicht 5%? Und dafür ein Auto kaufen, dass Dir die restliche Zeit auf die Nerven geht und mit der Du nicht einmal bei der Nachbarin punkten kannst? Nein, das muss nicht sein.

Text: fm
Bilder: Andy Wiezorek, fm